Montag, 3. August 2015

Sommerurlaub 2015 - 3. Teil

Samstag, 8.8.2015

Es ist schon ein Gfrett mit den Heiligen und deren Bedeutung, wer wofür zuständig ist, wer bei welcher Krankheit anzurufen ist, variiert oftmals von Dorf zu Dorf. Gut, um die gestrige Frage zu beantworten, wird kein Konzil oder eine Enzyklika notwendig sein, aber die Bischöfe könnte sich dieser Probleme annehmen, anstatt zu Themen Stellung zu beziehen, für die sie vollkommen inkompetent sind. Jedenfalls werden jede Menge Heiligenfiguren mit Büchern dargestellt, gemeint aber ist Wiborada als diejenige der Bibliotheken und Bücherfreunde.
Als wir heute in der Früh unseren Plunder im Auto verstauen, ist Kitzi schon voll Erwartung für das Lob, denn immerhin mehr als eine Woche hat er in Tschechien auf unser Auto aufgepasst und diese Aufgabe bravourös erledigt. Zwischenzeitlich hatte er mitbekommen, dass Miss Piggy und Kermit aus der Muppets-Show in einer Pressekonferenz ihre Trennung bekanntgegeben haben, er hatte zwar nicht ernstlich befürchtet, dass auch wir uns von ihm trennen könnten, aber eine gewisse Erleichterung seinerseits war ihm nach unserem Lob anzumerken.
Der Transfer nach Warmensteinach ist fast ein Katzensprung in das Fichtelgebirge, in knapp einer Stunde liegt der Ort vor uns. Wir beziehen Mela 3 und sind schon vom Glück verfolgt, angesichts des Balkons und der perfekten Ausstattung unserer letzten Ferienunterkunft. Das Trachtenoutlet hält die schwarze Lederhose in der richtigen Größe für Otto bereit und nun ist sein Outfit nach dem Trachtenjackett in Deggendorf komplett. Er könnte korrekt gekleidet zur heutigen Eröffnung des Gäubodenfests in Straubing antanzen. Stattdessen wird in Bayreuth die Parkplatzsituation für die kommenden Tage in der Nähe des Festspielhauses ausgekundschaftet. Unbarmherzig brennt die Sonne herunter und das klimatisierte Auto ist eine wahre Genussregion. Bevor wir in unserem Appartement zum Abendessen schreiten, kühlen wir uns im Waldschwimmbad ab. Musikalisch begleitet von Wagners Walküre aus dem Radio, gibt es auf dem erwähnten Balkon das Apéro mit Schwarzwälderschinken und Frischkäse und einer Brezel, sodann ein herrlich knackiger Salat im French-Dressing und danach für Moritz endlich seine geliebte Pasta. Dafür köchelt die von ihm zubereitete Sauce seit "Hundings Hütte" (1.Akt Walküre) auf dem Feuer. "Bereite uns Männern das Mahl" lautet der Befehl Hundings - was werden die wohl damals gegessen haben? Somit ist die Frage des Tages auch schon im Blog.

Sonntag, 9.8.2015

Schon kurz vor halb acht macht sich Otto auf den Weg Richtung Bäckerei, um feine Gipfeli zu holen. Erhitzt kommt er nach einer halben Stunde zurück - der Aufstieg zu unserer am Hohe Wacht-Weg gelegenen Unterkunft ist nicht zu unterschätzen und die Sonne scheint schon in der Früh unerbittlich. Beste Voraussetzung für die heutige Vorstellung im Festspielhaus!
Nach dem Frühstück steht auch diesen Sonntag das Musikrätsel auf Bayern 4 Klassik auf dem Programm. Das heutige Rätselthema, das wir bald geknackt haben, sind Klavierwerke für die linke Hand. Die wurden von den bekanntesten Komponisten der Zeit oft für Paul Wittgenstein, den älteren Bruder des Philosophen Ludwig Wittgenstein geschrieben. Paul hatte im 1. Weltkrieg einen Arm verloren, führte aber seine Pianistenlaufbahn weiter.
Danach geht Otto Richtung Schwimmbad, Moritz macht die Panoramatour hoch über Warmensteinach. Eine liebliche Gegend, dieses Fichtelgebirge. Im Ort gab es früher bedeutende Glasindustrie. So kommt er auch an der ehemaligen Paterl-Hütte vorbei. Das Wort hiess ursprünglich Pater Noster, von den Glaskugel für Rosenkränze, die hier produziert wurden. Sogar die Kaiserin von Brasilien soll mit Glaskugeln aus Warmensteinach gebetet haben.
Nach einem leichten Mittagessen, gönnen wir uns noch eine Siesta vor dem Beginn des Rings in Bayreuth. Trotz der sommerlichen Temperaturen zwängen wir uns in Festspielgarderobe mit Anzug und Krawatte. Die Klimaanlage im Volvo läuft auf Hochtouren, zum Glück finden wir ein schattiges Plätzchen für unser Auto. Dann pilgern wir gemächlich auf den grünen Hügel, wir sind früh dran, aber es sind schon viele Menschen da, Publikum und Schaulustige. Da es sich aber bereits um den zweiten Ringzyklus handelt, sind keine Promis auszumachen. Und es gibt zu viele Karten am Markt. Die Wiederverkäufer bleiben auf ihren überteuerten Billetten sitzen. Bei Rundgang um das Festspielhaus entdecken wir auch den bekanntesten Parkplatz Bayerns: denjenigen reserviert für den Generalmusikdirektor C. Thielemann!
Punkt 18 Uhr geht es im vollen Theater mit dem Rheingold losen. Die Rheintöchter treiben an einem Pool in einem Motel an der Route 66 ihren Schabernack mit Alberich. Die Regie von Frank Castorf kann nicht wirklich überzeugen, viel zu aufgesetzt und plakativ wirkt sie. Die grossen Videoprojektionen lenken von der Musik ab und sind deswegen anstrengend. Das Dirigat von Kyrill Petrenko, dem neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, ist unheimlich fein und lässt die Feinheiten der Partitur klingen. (Wir hatten ihn schon als unbekannten Neuling an der Komischen Oper in Berlin als Dirigenten gesehen und ihm bereits damals eine grosse Zukunft prophezeit!). Seit der Lektüre des Reclam-Bändchens "Richard Wagners Musikdramen" von Carl Dahlhaus, wissen wir ja viel mehr über die Musik, haben erfahren, dass der am Schluss so schön klingende Einzug in Walhalla nur aus Harmonien besteht, welche die Falschheit der Situation widerspiegeln. Sängerisch war jede Rolle wunderbar besetzt. Nach 2 Stunden und 20 Minuten tosender Applaus! Sind wir mal gespannt, wie es weiter geht.
Wir kühlen uns bei einem Glas tschechischen Sauvignon Blanc auf unserem Balkon unter dem imponierenden fränkischen Sternenhimmel ab.
Ja, dann wäre noch die Antwort auf die gestrige Frage. Da müssen Sie sich leider noch etwas gedulden. In den Regieanweisungen von Richard Wagner zur Walküre steht nur: "Sieglinde hängt die Waffen an Ästen des Eschenstammes auf, dann holt sie Speise und Trank aus dem Speicher und rüstet auf dem Tische das Nachtmahl."  Irgend so ein Wildbret wird es schon gewesen sein. Heute Abend werden wir dazu mehr erfahren.
Im Park vor dem Festspielhaus steht eine Büste von Cosima, der zweiten Frau von Richard Wagner. Sie wurde am 24. Dezember 1837 geboren. Wer war ihr Vater? Und welche bekannte Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts wurde ebenfalls am Heiligen Abend des Jahres 1837 geboren?
Noch eine Frage für alle Lindenstrassen-Fans: Welche/r Schauspieler/in aus der Serie feiert heute Sonntag ihren 75. Geburtstag?

Montag, 10.8.2015

Sicherlich ist es eine Leistung 35 Jahre lang seinen Urlaub in Warmensteinach zu verbringen, doch scheint die Anstrengung nicht geringer, bei gefühlten 35 Grad fünfeinhalb Stunden im Festspielhaus Walküre zu lauschen. Doch schön der Reihe nach. Die offenen Fragen des Vortages: Cosima Wagner war eine geborenen Cosima de Flavigny und ihr Papa der Ferencz Liszt. Selbiger in Raiding geboren und daher gibt es auch eine Kulturpartnerschaft zwischen dem Land Burgenland und der Stadt Bayreuth. Während Cosima am Heiligen Abend in Bellagio am Comer See geboren wurde, kam in München eine Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin von Bayern zur Welt, bekannt wurde sie als Kaiserin von Österreich-Ungarn. Cosima wurde ganze 32 Jahre älter und gilt als die Erhalterin und Bewahrerin der Bayreuther Festspiele. Als solche könnte man auch Frau Beimer aus der Soap "Die Lindenstrasse" bezeichnen, die Schauspielerin Marie-Luise Marjan feierte sonntags ihren 75er.
Im Tourismusbüro wollen wir nützliche Tipps bekommen und geraten geradewegs in den Begrüßungsempfang für neu angekommene Gäste. Ein pensionierter Lehrer lässt sich von allen Anwesenden den Herkunftsort nennen und plaudert dann etwas konfus über die Besonderheiten des Kurortes vor und nach der Wende. Als gebürtiger Bayreuther lobt er die Festspiele und den Sachsen Richard Wagner, aber insgesamt ist man eher anderen Genüssen hold, so werden die kleinen Privatbrauereien in den Himmel gelobt und die Anzahl und Dichte im Fichtelgebirge ist auch ein Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde wert. Ob Moorbad, Ochsenkopf oder Glasindustrie, alle finden sie Erwähnung bei einem Glas Sekt und eben auch die Ehrung der Jubiläumsgäste. Die Rundfahrt mit dem Schulbus zu einzelnen Sehenswürdigkeiten sparen wir uns. Die erfrischende Abkühlung im Waldbad ist eher unseres. Ansonsten geht es am frühen Nachmittag schon gegen Bayreuth, Wagner-Opern fordern ihren Tribut. Während die Sonne unbarmherzig (keine Aussicht auf Regen, auch nicht in den nächsten Tagen) alles austrocknet, füllen sich die Parkplätze um den Grünen Hügel. Glaubte Moritz gestern noch mit Krawatte und Rock dabei sein zu müssen, reicht heute schon das Hemd und auch dieses wird komplett mit Unterhemd durchgeschwitzt. Zuvor noch eine kleine Erholung im Luftbad, gleich oberhalb des Festspielhauses und pünktlich um 16:00 geht die Sauna in Betrieb. Hier schwitzen sie alle, Italiener und auch Franzosen, Bayern und Gäste aus vielen Ländern, sie machen es freiwillig und zahlen auch noch dafür! In solchen Augenblicken versteht man, warum wir Opernfans für verrückt gehalten werden. Zum Leidwesen von Hardcore-Wagnerianern war das Zitat aus der Walküre unrichtig wiedergegeben. Korrekt: "Rüst uns Männern das Mahl" muss es heißen. Nun sind wir mal gespannt, was Frank Castorf daraus macht. Bei Hundings jedenfalls gibt es einen echten Truthahn in einem Käfig, der die meiste Zeit ruhig vor sich hinpickt, aber auch mal versucht hochzufliegen, was angesichts der Musik und des Geschreis der Anwesenden verständlich, aber vergebens ist. Er überlebt jedenfalls und wird eher für ein Festtagsmenü auf den Teller kommen. Sieglinde hingegen schält zunächst Kartoffeln, Karotten und Peterswurzeln und hackt diese auch geräuschvoll und gekonnt, einmal scheint sie sich auch kurz in den Finger zu ritzen. Was allerdings mit diesen vegetarischen Zutaten in der Folge passieren sollen, lässt auch diese Inszenierung offen. Denn sogleich bereitet sie Hunding den Schlaftrunk und mehr ist küchentechnisch nicht drinnen. Mehr wollen wir auch über die Castorfsche Interpretation nicht verlieren, sie ist genauso fragmentarisch und offen wie Sieglindes Küche. Stimmlich hingegen ein Fest und wenn es nicht so heiß wäre, könnte man die Sache noch besser genießen. Petrenko am Pult wird gefeiert wie ein Popstar, er deutet ein verschwitztes Hemd an und bedankt sich bei seinen Musikern (die Frauenquote im Festspielorchester ist ähnlich gering wie bei den Wiener Philharmonikern) im Graben. Ist ein langer Opernabend schon unter normalen Umständen anstrengend, unter diesen Besonderheiten allerdings kräftezehrend. Auch wenn man sich in den einstündigen Pausen mit mitgebrachten Broten und Wasser stärkt, ist man am Ende doch froh, dass es vorüber - auch wenn der "Feuerzauber" noch so schön musiziert wird. Mit wie vielen anderen Besuchern schwitzt man an so einem Abend - wie viele Zuseher fasst das Festspielhaus?

Dienstag, 11.8.2015

Heute wird bei den Bayreuther Festspielen nicht gespielt. Ein freier Tag für 1974 Menschen!
Die Sonne scheint wieder, ein neuer Sommertag zeichnet sich ab. Kurz vor sieben steht Moritz wieder in der Bäckerei, um sich mit frischem Gebäck für das Frühstück einzudecken, er ist ja schon Stammkunde dort - allzu viele Schweizer machen hier in der Gegend nicht Ferien, dementsprechend erregt er auch Aufsehen (die eine nette Dame in der Bäckerei bekommt sogar eine Gänsehaut!).
Auch die Temperaturen werden wieder sehr sommerlich werden. So machen wir uns zeitig auf Richtung Sesselbahn auf den Ochsenkopf, dem zweithöchsten Berg  des Fichtelgebirges auf 1024 m.ü.M. Ja, wir wissen, es ist schon etwas faul, sich nach oben transportieren zu lassen, aber die knapp  250 Höhenmeter, die der Lift überwindet, hätten es auch nicht ausgemacht. Es ist eher eine Distanzbahn. Oben angekommen, besteigen wir zuerst den Asenturm und geniessen die weite Aussicht.  Dann lesen wir viel Interessantes über den Sendeturm des Bayerischen Rundfunks. In Zeiten des Kalten Krieges wurde von hier Richtung DDR und Tschechoslowakei ausgestrahlt.
Dann spazieren (nach Otto: wandern) wir Richtung Mainquelle und laben uns an der Kühle des dichten Fichtenwalds und an wunderbaren Himbeeren, die es hier kiloweise gibt. Einmal mehr kommen wir an einem Goethe-Felsen vorbei. Schon ein Wunder, dass er noch Zeit zum Schreiben hatte bei seinen vielen Reisen! (In Böhmen gibt es über 200 Goethe-Denkmäler, in Karlsbad hat er - alle Aufenthalte zusammengezählt - knappe drei Jahre verbracht.) Aber auch Ludwig Tieck war schon hier oben. Die Mainquelle entpuppt sich als kleines Rinnsal - aber schön angenehm temperiert präsentiert sich der schöne Platz davor, sehr einladend für die Lektüre der Süddeutschen Zeitung. Wir können sie wirklich allen empfehlen. Das Problem ist nur, dass deswegen 90% der als Ferienlektüre mitgenommenen Bücher wieder ungelesen nach Hause kommen. Aber die Bücher haben es auch mal verdient, in die weite Welt zu kommen - so wie Kitzi sich auch immer darauf freut, einmal im Jahr Kleinhüningen hinter sich zu lassen.
Als es dann plötzlich zu viele Menschen an unserem lauschigen Ort sind, machen wir uns auf Richtung Auto, das in Fleckl steht. Es wird der letzte längere Spaziergang (nach Otto Wanderung) gewesen sein in unseren Ferien.
Wir besuchen Bischofsgrün, eine anderen Ferienort im Fichtelgebirge und fahren dann weiter nach Weissenstadt, um dort das Rogg-in zu besuchen. Das Rogg-in nennt sich "pädagogisch-poetisches Informationszentrum für Roggen-Kultur. Es wurde vor einem Jahr eröffnet und vermittelt auf sehr gute Art und Weise Wissen über das Gold des Fichtelgebirges - den Roggen. Otto wollte dort sein traumatisches Erlebnis des EU-Pavillons an der Expo in Milano überwinden. Dort wurde das Thema Weizen und Brot auf fürchterlich dilettantische Weise gezeigt , so dass Moritz gleich der Vizepräsidentin des EU-Parlaments, der Österreicherin Ulrike Lunacek schreiben musste und auch Antwort bekommen hat. Jedenfalls hat sich der Besuch in Weissenstadt sehr gelohnt. Die Dame an der Kasse war sehr freundlich, umso freundlicher, da wir ja von Olga aus dem Tourismusbüro einen Gruss ausrichten mussten. (Sie hatte uns diese "Mission possible" - Zitat - mit der Aussage "Das hat schon seine Bedeutung." in Auftrag gegeben.)
Mittlerweilen ist es so schwül und wir so ko, dass wir nach Hause fahren, um eine Siesta zu machen. In Warmensteinach hatte es sogar geregnet - es fühlte sich an wie nach einem Aufguss. Und unser Volvo hat nichts abbekommen, dabei hätte im etwas Wasser so gut getan! Er ist schon etwas verstaubt.
Den letzten freien Abend geniessen bei einem feinen Apéro mit fränkischem Silvaner auf unserem Balkon und reisen danach gedanklich nach Wien ins Ringstrassenpalais.
Zur heutigen Frage: In welcher Weise ist Richard Wagner familiär mit der Schweiz verbunden - abgesehen davon, dass er in Zürich und Luzern gewohnt hat?

Mittwoch, 12.8.2015

"Heil dir Sonne" singt Brünnhilde im letzten Akt von Wagners Siegfried, in etwa wie in unserem Urlaub, wenn wir aufwachen, ist sie schon da, verrichtet ihre heizende Arbeit und lässt sich von so etwas wie Wolken dabei nicht behindern. Seit bald drei Wochen geht das so. Dass die Tätigkeiten des Tages darauf Rücksicht zu nehmen haben, ist wohl klar. Leichte Kost, Entspannung und innere Einkehr, schließlich bewusstes aufmerksames Sitzen im Freundeskreis (ab 16 Uhr), bestimmen den Rhythmus. Aber auch noch so hirnzermarterndes Nachdenken hilft bei einigem Sonderbaren nicht. Warum sind am Berliner Alexanderplatz Krokodile auf der Bühne. Nein, dies ist nicht eine Beschreibung von Moritz nächtlichem Traum (er hatte übrigens wirklich gestern Nacht von Krokodilen geträumt, diese waren auf einem Flughafen - er wusste also, wie das wird) - sondern ein störendes Element in einer wirren Inszenierung. Während sich Brünnhilde und Siegfried die Seele aus dem Leib singen, Wagner den dramaturgischen Höhepunkt entgegenkomponiert, belästigen drei Exemplare, ein ferngesteuertes großes und zwei "menschliche" Attrappen  dieser Reptilienspezies die Liebenden. Zu aller Letzt verfüttert Brünnhilde einen Sonnenschirm an das ausgewachsene Tier und man fragt sich, meint Castorf das ernst oder will er das Publikum nur verschaukeln. Kaum ist der letzte Ton verklungen, geht das Buhgeschrei auch schon los und verstummt erst, als die Sänger vor den Vorhang kommen. Bleiben wir noch kurz am grünen Hügel. Bekanntlich sind die Pausen jeweils eine Stunde lang und diese Erholung kann man bei diesen Schwitzsitzungen wirklich brauchen. Wir hatten für unsere Kühltasche am Vortag Kühlakkus gekauft und so ist die Verpflegung, Brötchen und flaschenweise Wasser selbst im aufgeheizten Auto noch angenehm frisch. Zur Frage des Tages: Nennen Sie ein Utensil, welches man an diesen Tagen am grünen Hügel nicht vermuten würde, es wird neben dem Verleih von Operngläsern auch am dortigen Stand verkauft, der Preis stieg von fünf, bei Siegfried gar auf zehn Euro?
Nun zur Beantwortung der gestrigen Frage: Richard Wagners erste Tochter - Isolde, heiratete einen Franz Beidler, welcher in Kaiserstuhl im Kanton Aargau zur Welt kam und somit Schweizer ist.

Donnerstag, 13.8.2015

Heute ist wieder volles Wagner-Programm. Am Morgen machen wir uns auf Richtung Villa Wahnfried. Das Museum im Wagner-Haus wurde renoviert, mit einem Neubau ergänzt und erst kürzlich neu eröffnet. Wie es sich für Richard gehört, liegt es direkt am Hofgarten. Ludwig II erlaubte Wagner, über ein Tor direkt in die königlichen Gärten zu kommen. Kurz vor der Öffnung um 10 Uhr sind schon viele Besucher/innen vor der Pforte. Wir sind über den Garten zum Haus gekommen, dort wo das Grab des Komponisten und von Cosima ist, auch dasjenige verschiedener Hunde. Zuerst besuchen wir eine Ausstellung über die Geschichte des Hauses Wahnfried. Dort erfahren wir, dass Winifred, die Frau von Richards Sohn Siegfried von Kriegsende bis 1957 in Oberwarmensteinach gewohnt hat - einem Ortsteil unseres Dorfes. Dann hatte sie also den gleichen Weg zum Festspielhaus wie wir! Obwohl sie dort in den Nachkriegsjahren nicht geduldet war. (Literaturempfehlung: Brigitte Hamann: Winifred Wagner. Da erfährt man sehr viel über den Wagner-Clan und Bayreuth im 20. Jahrhundert.)
Dann folgt die sehr schön renovierte eigentliche Villa mit persönlichen Gegenständen und der Lebensgeschichte des Komponistenpaares. Dann zum Ende noch das Siegfried-Wagner-Haus. Es geht einem schon ein kalter Schauer den Rücken hinunter, wenn man sich vorstellt, wer dort schon alles genächtigt hat: Richard Strauss und Arturo Toscanini gehen ja noch, aber auch Wolf wurde dort untergebracht.
Wir fahren zurück in unsere behagliche Bleibe mit weiter Aussicht und geniessen die Ruhe vor der nächsten Vorstellung. Der Tag heute ist noch eine Spur wärmer als gestern. Um 15 Uhr sind wir auf dem grünen Hügel und genehmigen uns die bereits zur Tradition gewordene Weinschorle im Luftbad oberhalb des Festspielhauses und beschauen uns danach das Publikum. Es ist lustig festzustellen, dass die Leute, die in Tristan und Isolde gehen, etwas anders sind als die Ring-Menschen - etwas bunter gekleidet und auch sonst etwas weniger streng (ausser natürlich die Verrückten wie wir, die sich beides anschauen!). Heute ist ja nach Rheingold, Walküre und Siegfried etwas leichtere Kost angesagt. Pünktlich um 16 Uhr nimmt Christian Thielemann ungesehen vom Publikum den Dirigentenstab in die Hand (das ist ja eben eine der Besonderheiten des Festspielhauses, dass man das Orchester nicht sieht) und eröffnet die Oper, in der Wagner "die meisten Gefühle gezeigt hat" (Süddeutsche). Regie führt die 1978 geborene Katharina Wagner. 1886 wurde Tristan und Isolde zum ersten Mal in Bayreuth aufgeführt. Die wievielte Inszenierung ist die jetzige (die Zahl hat etwas mit Solothurn zu tun)? Und in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis steht Katharina zu Richard Wagner? Leider gibt es zur Inszenierung nicht viel zu sagen, ausser dass wir sie gründlich missraten finden. Wir haben fast alle Inszenierungen der Co-Festspielleiterin gesehen und waren anfangs begeistert von ihren Arbeiten, so zum Beispiel von ihrem Lohengrin in Budapest 2004. Aber jetzt.... auch sängerisch überzeugt es nicht wirklich, wieso müssen immer alle so schreien! Einzig der Herr "Generalmusikdirektor" Thielemann überzeugt zusammen mit dem Orchester.
Der Abendzettel hat lebensrettende Funktion - mit ihm kann man das gleiche tun wie mit dem in der gestrigen Frage gesuchten Gegenstand: fächeln. Die Lösung: Fächer. Die Hitze fordert schon ihren Tribut: wohl angezogene Herren fächeln mit der Krawatte, Gentlemen im Smoking tragen Flip-Flops und Damen im Abendkleid gehen barfuss ums Festspielhaus.
Unter dem Titel "Mitten in XY" werden in der Süddeutschen Geschichten veröffentlicht, die das Leben schreibt. Also gestern Abend: Mitten in Bayreuth. In der Reihe vor Moritz sitzt eine auf die 80 zugehende Münchnerin mit ihrer Enkelin. Im ersten Akt muss sie immer wieder ihre Kommentare abgeben - was natürlich stört. Moritz überlegt nach der Pause schon, ob er was sagen soll. Manchmal ist es besser zu schweigen. Da, ein Italiener - mit starkem Akzent sagt er: "Please, Madame, silence during the performance, during the music." Nachdem sie noch die Übersetzung bekommen hat, echauffiert sie sich: "Jetz kommen die noch, des Festival finanzieren mir Bayern!" Das war das Stichwort für Moritz: "Ja, er hat recht. Es stört wirklich." "Woher wollen´s denn wissen, ob wir das waren?" "Weil ich´s gesehn hab!" "Aha, ein gescheits Gsicht hat er!" Jedenfalls war danach Ruhe!
Beim wunderbares Glas fränkischen Riesling auf dem Balkon zu Hause können wir uns so viel wünschen, denn eine Sternschnuppe nach der anderen erlischt am nächtlichen Himmel.

Freitag, 14.8.2015

Die Wiesen und Wälder haben seit vielen Tagen keinen Tropfen Regen abbekommen und auch heute früh zeigt sich keine Wolke am Himmel. Für einen Schwimmausflug in unserem Waldbad geradezu ideal. Allzulange allerdings dauert er nicht, denn es gilt sich für den letzten Tag der Ringtetralogie vorzubereiten. Leichtes Mittagessen, Brote streichen für die Pause, Kühlakkus und Wasserflaschen zusammenführen und rechtzeitig am grünen Hügel sein. Wobei grün ist eigentlich nur die kleine Wiese vor dem Festspielhaus, die Bäume lassen ihre Blätter hängen und die meisten sind bereits herbstlich verfärbt. Sich angesichts schwüler 35 Grad in einen unklimatisierten Raum zu begeben, dazu gehört, man muss es ehrlich sagen, Überwindung. Und nur nicht daran denken, was man stattdessen alles machen könnte, wobei die Hitze drückt so, dass man allzuviele Aktivitäten ohnehin nicht auf sich nehmen will. Verschärfend kommen unsere Plätze in der Galerie dazu, hier gibt es kein Halten beim Fächeln und Stöhnen. "Weißt du, wie das wird?" fragen die Nornen gleich zu Beginn. Jedenfalls heiß schießt es einem durch den Kopf. Doch die Inszenierung heute ist plötzlich spannend, die Irritationen halten sich in Grenzen und man ist mitten im Spektakel und die Geschichte lässt einem bis zum Finale nicht mehr los. Und wirklich im dritten Akt bei einer Pianissimostelle im Orchester, da war doch ein Donnern außerhalb zu hören. Man könnte es nicht besser inszenieren, während im Stück der Rhein über die Ufer tritt und alles reinigt, geht über Bayreuth ein Gewitter nieder. Alle Mühen haben sich gelohnt, alle Fragen sind beantwortet (zu den gestrigen Fragen, Katarina Wagner ist die Urenkelin des Meisters und hat mit ihrem Tristan in der Festspielgeschichte die elfte Inszenierung abgeliefert) und erleichtert, aber auch stolz, diese wirkliche Anstrengung auch geschafft zu haben, verlässt man den historischen Ort. Im Gedächtnis bleibt der Schlussvorhang: Da stehen sie alle, die Musikerinnen und Musiker mit ihren Instrumenten, in bunten T-Shirts und kurzen Hosen, in farbigen leichten Kleidern und strahlen, mitten unter ihnen, ebenfalls zufrieden und sehr bescheiden, Petrenko. Vergessen die Ströme an Schweiß, die Luftbeengtheit und die Ärgernisse der Produktion - und eine Vorfreude auf mögliche nächste Besuche bei den Bayreuther Festspielen. Heute ist eigentlich der einzige Tag unseres Urlaubs, an dem wir nicht auf der Terrasse unser Glas erheben können.

Samstag, 15.08.2015

Wir packen ein letztes Mal alle unsere Sachen in den Wagen und recht zügig geht es über Nürnberg, Heilbronn und Karlsruhe nach Basel.
Wir verabschieden uns mit Richard Wagners "Züricher Vielliebchen Walzer für Klavier".
Auf Wiedersehen im Sommer 2016!










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